
Kinder und Medien: Wann ist es zu viel?
Die Zeit vor einem Bildschirm wird häufig verteufelt, Eltern sind unsicher, was sie ihren Kindern erlauben dürfen und was nicht. Doch wann ist es wirklich zu viel?
- Wie lange dürfen Kinder vor einem Bildschirm sitzen?
Eine etwas ernüchternde Antwort vornweg: Es gibt kein pauschales Richtig oder Falsch. Kinder unterscheiden sich in ihren jeweiligen Bedürfnissen und so ist es auch bei der Bildschirmzeit.
Dennoch gibt es allgemeine Empfehlungen von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Darin werden folgende Richtwerte für die tägliche Mediennutzung genannt:
Alter (in Jahren) | Empfehlung |
0 - 3 | am besten keine Bildschirmmedien, höchstens 30 Minuten Hörmedien, regelmäßiges Anschauen und Vorlesen von Büchern |
3 - 6 | höchstens 30 Minuten vor dem Bildschirm, höchstens 45 Minuten Hörmedien, regelmäßiges Anschauen und Vorlesen von Büchern |
6 - 9 | höchstens 45 - 60 Minuten Bildschirmmedien, höchstens 60 Minuten Hörmedien, regelmäßiges Vorlesen oder Lesen |
9 - 12 | höchstens 45 - 60 Minuten pro Tag |
12 - 16 | höchstens 1 - 2 Stunden pro Tag |
16 - 18 | gemeinsame Regeln zur Nutzung von Bildschirmmedien aufstellen, als Richtwert können 2 Stunden täglich gelten |
Die BZgA betont, dass ihre Empfehlungen nur zur Orientierung dienen sollen. Ausnahmen seien erlaubt und Familien sollten am besten Regeln festlegen, nach denen sich alle im Normalfall richten.
Genaue Dauer nicht unbedingt ausschlaggebend
Sowieso sollten wir nicht zu viel Wert auf die Minutenzahlen legen, sagt die Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Ariadne Sartorius. "Die Frage ist doch: Was macht das Kind anstatt der Bildschirmnutzung?" Es helfe nichts, einem Grundschulkind das Fernsehen zu verbieten und gleichzeitig zu verlangen, dass es ohne weitere Beschäftigung leise dasitzt, während die Eltern im Homeoffice arbeiten.
"Wir müssen also immer sehen, was für die ganze Familie realistisch ist." Dass darunter die Familienzeit, die Freundschaften und Hobbys nicht leiden dürfen, ist für Ariadne Sartorius einer der wichtigsten Aspekte. Solange das gut funktioniert, seien ein paar Minuten mehr oder weniger vor dem Fernseher oder Computer nicht so schlimm.
- Wie lange nutzen Kinder Medien tatsächlich?
Schon bevor Kinder in der Schule sind, verbringen sie mehr zeit vorm Bildschirm als empfohlen. In der 2023 veröffentlichten "miniKIM"-Studie ging es um Kinder im Alter von zwei bis fünf Jahren: Hier rechneten die Autorinnen und Autoren aus, dass zwei- bis dreijährige Kinder im Schnitt 62 Minuten Bewegtbilder (Fernsehen, digitales Spielen, Videoportale und Streamingdienste) anschauen, vier- bis fünfjährige rund 72 Minuten. Das übertrifft deutlich die Empfehlungen.
6- bis 7-Jährige schauen zu lange auf einen Bildschirm
Auch die sogenannte KIM-Studie (Kinder, Internet, Medien) untersucht regelmäßig das Medienverhalten von Kindern und Jugendlichen. Hier zeigte sich in der aktuellen Version aus 2020: Kinder im Alter von sechs bis sieben Jahren schauen im Durchschnitt täglich 133 Minuten auf einen Bildschirm (einbezogen sind hier das Fernsehen, Internet, diverse Bildschirm-Spiele, Streamingangebote, Youtube-Kanäle und Mediatheken).
Das überschreitet deutlich die Empfehlung von maximal 60 Minuten der BZgA. Mit steigendem Alter nimmt vor allem die Internetnutzung stark zu, andere Medien wie Streaming und Mediatheken verändern sich weniger.
Insgesamt kommen 12- bis 13-Jährige auf eine Bildschirmzeit von etwa 313 Minuten pro Tag, also mehr als fünf Stunden. Das ist ziemlich lang, aber zumindest kann man argumentieren, dass die etwa 84 Minuten Internetzeit auch der Recherche für Hausaufgaben dienen können.
Dann stellt sich natürlich die Frage: Ist Zeit vor einem Bildschirm besser oder zumindest weniger schädlich, wenn sie lehrreich ist und der Schule dient? Das zu beantworten, ist ungemein schwierig und hängt von vielen Faktoren und Perspektiven ab. Mehr zu den Auswirkungen insgesamt besprechen wir an dieser Stelle.
Corona hat die Bildschirmzeit erhöht
Zusätzlich müssen wir bedenken, dass Schüler:innen während der Corona-Pandemie häufig durch Homeschooling und Wechselunterricht gar keine andere Wahl hatten, als lange Zeit vor Bildschirmen zu sitzen.
Die Befragungen für die KIM-Studie 2020 fanden im September und Oktober 2020 statt. Zu dieser zeit waren die Corona-Beschränkungen zwar weniger strikt als in den vorherigen Monaten, in den Schulen war zum Teil Präsenzunterricht möglich. Trotzdem sind die Antworten natürlich von Corona beeinflusst und es zeigt sich, dass deutlich mehr Kinder Zugang zu Computern und Laptops haben oder die Geräte selbst besitzen als noch in der KIM-Studie 2018.
Auch beim Zugang zu Streamingdiensten und Fernsehgeräten mit Internetzugang gab es im Vergleich zu 2018 einen klaren Anstieg. Das muss nicht ausschließlich an der Pandemie liegen: Gerade bei Streamingdiensten sind in kurzer Zeit deutlich größere und vielfältigere Angebote entstanden.
2023 wurde zudem die JIM-Studie veröffentlicht, die Jugendliche im Alter von 12 bis 18 Jahren untersucht. Hier gibt es unter anderem eine zeitliche Einordnung der Internetnutzung: 2019 - also vor der Pandemie - verbrachten die Jugendlichen laut eigener Einschätzung etwa 205 Minuten pro Tag online. 2020, mitten in der Pandemie, kamen sie auf den höchsten Wert: 258 Minuten. 2021 ging es leicht zurück auf 241 und 2022 waren sie mit 204 Minuten auf dem Vor-Corona-Nieveau. Offenbar nahmen dann andere Aktivitäten wieder mehr Zeit ein. Allerdings: Das Jahr 2023 verzeichnete schon wieder einen Anstieg auf 224 Minuten, der sich natürlich nicht mit Corona erklären lässt. Abgesehen davon mag die Selbsteinschätzung der Onlinezeit von Jugendlichen möglicherweise ungenau sein.
Konkurrenz mit anderen Aktivitäten?
Wie Ariadne Sartorius erklärt, kommt es bei der Beurteilung der Bildschirmzeit vor allem darauf an, wie Kinder und Jugendliche ihre gesamte Zeit einteilen und welchen anderen Aktivitäten sie nachgehen. Denn ein Aspekt wird in den Empfehlungen zur Bildschirmzeit häufig erwähnt: Kinder und Jugendliche könnten durch die Mediennutzung andere Dinge vernachlässigen, etwa sich zu bewegen oder Zeit mit anderen Kindern zu verbringen.
In der KIM-Studie 2020 zeigte sich, dass fast alle Kinder zwischen sechs und 13 Jahren mehrmals in der Woche fernsehen. Etwa 70 Prozent geben sogar an, täglich oder fast jeden Tag Zeit vor dem Fernseher zu verbringen.
Liebste Freizeitaktivität: "draußen spielen"
Die gute Nachricht: befreundete Menschen treffen, Hausaufgaben erledigen oder lernen, malen oder basteln und sowohl drinnen als auch draußen spielen sind ebenfalls für fast alle Kinder wichtig. Und bei der Frage, welches ihre liebsten Freizeitaktivitäten sind, nannten über die Hälfte der Mädchen und Jungen zwischen sechs und 13 Jahren "Freunde treffen", gefolgt von "draußen spielen". Erst dann kamen digitale Medien zum Zug.
Neben diesen ermutigenden Ergebnissen zeigte auch eine Untersuchung von Kindern im Alter von neun bis elf Jahren, dass die Bildschirmzeit andere Aktivitäten nicht unbedingt verdrängt. Vielmehr kommt es auf sozioökonomische Faktoren an, ob sich die Kinder mit Gleichaltrigen treffen oder (sportlichen) Freizeitaktivitäten nachgehen.
Dabei geht es etwa darum, ob die Eltern die Mitgliedschaft in Vereinen überhaupt bezahlen können. Oder ob sie viel und zu ungünstigen Zeiten arbeiten und die Kinder so lange irgendwie beschäftigen müssen - und sich der Fernseher als einfachste Möglichkeit anbietet.
- Kann zu viel Zeit vor dem Bildschirm krank machen?
Fangen wir mit der einfachsten Antwort an: ja, klar. Zu viel Zeit vor dem Bildschirm ist schädlich, vor allem, wenn Kinder süchtig danach werden und Ernährung, Schlaf, Bewegung und soziale Kontakte vernachlässigen. Das kommt tatsächlich vor, ist allerdingsnochkeine offiziell anerkannte Krankheit. Anders die Computerspielsucht: Sie wird mittlerweile unter der englischen Bezeichnung "Gaming Disorder" im Diagnosehandbuch "International Classification of Diseases" (ICD-11) geführt.
Mehr zu diesem Thema in dem Artikel "Sind Videospiele wirklich schädlich?".
Keine Kontrolle mehr über Spielverhalten
Als computerspielsüchtig gilt, wer sein Spielverhalten nicht mehr kontrollieren kann, es zunehmend anderen Aktivitäten vorzieht und immer weitermacht, obwohl er oder sie dadurch negative Konsequenzen hat. Dazu zählen gesundheitliche Aspekte wie ungesunde oder mangelnde Ernährung und Schlafmangel ebenso wie schlechte Leistungen in der Schule und ein sozialer Rückzug. Und auch wenn es noch nicht offiziell festgeschrieben ist: Auch andere Medientätigkeiten können solche Effekte haben.
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